Sommer auf Simsalö – Urlaub mit Kindern in Finnland

Mir ist ein bisschen seltsam zumute vor dieser Reise. Ich werde das erste Mal alleine mit den beiden kleinen Jungs verreisen. Theo ist fast vier und Fritz gerade mal acht Monate alt. Meine Patentante hat ein Haus auf der kleinen finnischen Insel Simsalö – die Schäre liegt etwa 40 Minuten von Helsinki entfernt. Ich habe mich schon oft für einen Besuch angekündigt – diesmal will ich es wahr machen: Urlaub in Finnland.  Die Frage ist nur: Wie hinkommen?

Am liebsten würde ich mit dem Zug nach Travemünde fahren und von dort mit der Fähre nach Helsinki.

Ich reise gerne so, dass die Reise selbst schon ein Erlebnis ist. In den Flieger rein und irgendwo wieder raus – das ist zwar superpraktisch, aber irgendwie fehlt da immer ein Zwischenstück, manchmal kommt mein Kopf dann nicht so richtig hinterher.

Die Recherche ergibt: Eine Überfahrt mit der Finnlines Fähre samt (Innen-)Kabine kostet uns zu dritt knapp 800 (!!!!) Euro. Unfassbar. Mit Frühbucherrabatt geht es auch günstiger – mit ein bisschen Glück sogar für die Hälfte. Allerdings muss man dann zwischen Januar und Mai fahren. Also quasi im Winter. Will ich nicht. Ich will Sommer auf den Schären. Der zweite Haken: Die Fähre fährt in Travemünde um 3 Uhr nachts los. Albtraum mit Kindern, finde ich.

Ich entscheide mich deshalb doch für einen Flug. Fritz auf dem Schoß, Theo einen eigenen Platz am Fenster – hin und zurück: rund 600 Euro. Immer noch viel, aber viel mehr Kosten werden auch nicht auf uns zukommen. Auch hier ein Haken: Weil es günstiger ist, habe ich nur mit Handgepäck gebucht. Drei Personen, eine knappe Woche – ein kleiner Rucksack.

Und hier kommen 10 Dinge, die ich gelernt habe:

  1. Die Dreier-Regel: Du brauchst maximal drei Teile von einem Kleidungsstück. Also drei Unterhosen, drei Bodys fürs Baby, drei Hosen, drei T-Shirts… und EINEN warmen Pulli. Eins zum Anhaben, eins zum Waschen und Trocknen und eins in Reserve, wenn das Trocknen länger dauert oder wahlweise du oder Kind in den Matsch fallen. Kopfüber. Komplett.
  2. Der Sicherheitscheck am Flughafen Düsseldorf nervt. Theo weint, weil er sein Kuscheltuch nicht abgeben will, damit es durch den Scanner laufen kann (wirklich??? das Tuch eines Dreijährigen? Was soll darin versteckt sein???). Fitz weint, weil er sich auf dem Arm einer anderen Frau unwohl fühlt, während ich den Bodyscan über mich ergehen lasse. Theos Kinderrucksack voller Spielsachen muss einen Sprengstofftest durchlaufen… Am Flughafen Helsinki gibt es übrigens einen Family-Security-Check – da passiert das alles nicht. Die Babyflasche darf gefüllt bleiben und Theos Tuch wird einmal abgetastet bevor wir durch dürfen. Danke Airport Helsinki – ihr habt es verstanden.
  3. Den Buggy muss man am Check-in mit Bändel versehen lassen, dann darf man ihn mit bis zum Flieger nehmen. Das ist auf dem Weg ZUM Flugzeug praktisch. Danach landet der Buggy allerdings doch im Flugzeugbauch und steht damit nach der Landung NICHT zur Verfügung. Das ist blöd. Immerhin hab ich ja auch noch das Handgepäck, Theo und das Baby durch die Gegend zu schaukeln. Zum Glück hab ich die Manduka, eine Stoff-Trage, vorne auf den Rucksack geschnallt. Also Baby vor den Bauch, Rucksack auf den Rücken, Theo an die Hand. So geht’s.
  4. Fliegen ist anstrengend. Vor allem mit Baby. Ich habe fast zweieinhalb Stunden Baby-Fritz bespaßt bis er kurz vor der Landung eingeschlafen ist. Einfach nur, weil ich nicht wollte, dass er den anderen Passagieren auf die Nerven geht und rumquäkt. Ich hab mich dabei glaube ich ziemlich zum Affen gemacht – aber dafür war es ruhig.
  5. Sieh zu, dass du nicht aufs Klo musst im Flieger. Nicht jede Stewardess kann gut mit kleinen Kindern und Babys. Dann ist das Geschrei groß und alle Bemühungen von Punkt 4 – dahin.
  6. Nimm Knabbersachen mit. Ja, ich weiß, tut wahrscheinlich fast jede Mutter automatisch. Nur ich nicht. Ich vergesse fast immer, kleine Tupperdosen mit Schnickschnack einzupacken. Das hält bei Laune. Nimm Gummibärchen und Schokolade mit – mit Dinkel-Reiswaffeln funktioniert es nicht lang genug, fürchte ich. Jedenfalls bei meinen nicht.
  7. Ich hab sogar in Snacks und Getränke im Flieger investiert. Einfach nur, um ein „Wir-essen-verrücktes-Flugzeugessen“-Event draus zu machen.
  8. Denk dran, vorher Hörspiele auf Spotify oder Audible oder sonstwo runterzuladen und offline verfügbar zu machen. Der Start ist nämlich spannend, aber dann irgendwann wird es laaaaangweilig, wenn du noch nicht lesen und erst recht nicht schlafen kannst. Theo hat sich mit Kopfhörern irgendwann auf dem Boden unter den Sitzen zusammengerollt, während ich oben Hopsespiele mit Fritz veranstaltet habe.
  9. Besorgen nach der Ankunft im erstbesten Flughafen-Supermarkt eine große Flasche Wasser. Du wirst sie vermutlich gebrauchen können – zumindest wenn du, so wie wir, relativ spät abends landest. Um die Babyflasche aufzufüllen, um dein Kleinkind zu versorgen, um nachts am Bett was zu trinken zu haben, wenn du im Hotel oder der Pension bist.
  10. Es geht. Es ist in Wirklichkeit kein großes Problem. Ja, Tatsache, der Flug ist nicht suuuper entspannt (es sei denn mindestens eins der Kinder schläft), aber es geht. Und auch mit Rucksack, Manduka, Buggy und zwei Kindern kann man sich fortbewegen.

 

Nach einer Nacht in der kleinen, sehr netten Pension „Villa Sibbe“, direkt am Eingang zu den Schären (mit dem Taxi rund 25 Minuten vom Flughafen, 45 Euro) holt uns meine Tante mit dem Kutter des Nachbarn in Gumbostrand ab. Von dort gibt es auch einen regulären Fährtransport zu den Inseln – meist zweimal am Tag.

Etwa 20 Minuten fahren wir ganz langsam durch die finnische Schärenlandschaft – kleine und größere Inseln vor der Südküste Finnlands. Auf Simsalö angekommen lerne ich als erstes, dass die meisten hier SCHWEDISCH sprechen. Wirklich. Es sind sogeannte Finnland-Schweden, die hier leben. Schwedisch ist in Finnland die zweite Amtsprache. Also ein bisschen was aus zwei Welten – auch nicht schlecht.

Simsalö selbst hat um die 30 Einwohner – ein paar leben immer hier, ein paar haben ein Sommerhaus und kommen – so wie meine Tante – gleich für ein paar Monate am Stück. Wieder andere verbringen ihre Wochenenden hier, als Auszeit vom Leben in Helsinki.

Einmal am Tag kommt die Post per Boot (ja, sie liefert auch Amazon-Pakete aus ;-)) und zwei Mal die Woche kommt das so genannte Butiksboot. Ein schwimmender kleiner Tante-Emma-Laden mit allem Nötigen. Man kann dort auch anrufen und Spezialbestellungen mitbringen lassen: Zum Beispiel Windeln Größe 4.

Hätte ich gewusst, dass es (natürlich) keine Art von Müllabfuhr gibt, dann hätte ich mir das mit den Windeln aber vielleicht überlegt und stattdessen auf Stoffwindeln zurück gegriffen. Denn: Das Butiksboot nimmt zwar Pfand wieder zurück, aber alles andere muss anders entsorgt werden.

  • Essensreste am besten durch Aufessen – der Rest auf den Kompost. Ist aber schwierig, weil es gerade so heiß ist, dass jede Menge Marderhunde den Kompost durchwühlen.
  • Plastik – sammeln und bei dem nächsten Landgang am Festland entsorgen
  • Alles andere im großen Ofen verbrennen.

Im Haus auf Simsalö gibt es eine Dusche – in Form eines Wasserschlauchs im Garten, eine Holzbadewanne draußen, ein Sauna-/Badehaus, ein Kompostklo vor dem Haus, eine Outdoor-Spülküche und zwei Schüsseln zum Wäschewaschen.

Ich finde das toll. Ganz ehrlich. Es führt dazu, dass ich viel bewusster Dinge benutze, mir überlege, wann eine gute Zeit zum Waschen ist, wann ich dusche, wie viel Wasser ich dafür nutze (irgendwann wird es natürlich trotz der Hitze und des anfangs warmen Schlauchwassers recht kühl), was ich mit den Teebeuteln mache (auf der Leine zum Trocknen aufhängen und dann verbrennen).

Neben der Ruhe und dem entspannten Leben hier – es gibt im Grunde nichts zu tun – ist das vielleicht das Beste hier: Du lernst, wie wenig du wirklich brauchst.

Alles geht langsamer, alles hat seinen festen Rhythmus in Simsalö. Etwas, was wir von Zuhause gar nicht kennen. Da geht es immer drunter und drüber – feste Zeiten gibt es kaum – außer fürs Bett. Und selbst das klappt nicht immer. Hier gibt Gemüse, Salat und Kartoffeln aus dem Garten und Fisch vom Inselfischer. Jeden Tag. Und es schmeckt köstlich. An besonderen Tagen gibt es eine ganze Platte herrlicher Krebse.

Es gibt einen Wald voller Blaubeeren und ein sehr entspanntes Inselvolk, dass sich zwei mal die Woche, wenn das Butiksboot kommt, zum Kaffeeklatsch am kleinen Hafen trifft.

Ein bisschen wie Bullerbü. Nur in echt.

 

 

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