Es ist höchste Zeit für einen Urlaub. Und zwar einen OHNE Kinder. Baby Theo ist jetzt fast zwei und der zauberhafte Mann und ich waren noch NIE alleine weg. Kaum zu glauben eigentlich. Entsprechend aufgeregt bin ich – es geht für vier Tage nach New York. Meine Lieblingsstadt.
Aber… was, wenn wir uns nicht mehr viel zu sagen haben?
Also nichts mehr, was nicht mit Kindern und Kochen zu tun hat? Was, wenn wir uns die ganze Zeit streiten? Wir haben so gut wie keinen Plan gemacht, was wir sehen wollen, das verunsichert mich, denn normalerweise plane ich solche Trips echt gerne und gut durch. Morgens dies, dann ganz in der Nähe das, Essen hier, Kaffee da, dazwischen shoppen…
…ich hab die Dinge eben gerne unter Kontrolle. Ich geb’s ja zu.
Aber dieses Mal nicht, dieses Mal bin ich wild entschlossen mich treiben zu lassen.
Zusammen mit ihm. Wir haben kein Luxushotel, nicht mal annähernd. Wir wohnen sogar noch nördlich von Harlem, in Washington Heights in einem Airbnb-Zimmer bei Dan, seiner Frau Claire und Baby Wyatt. Von wegen Urlaub ohne Kinder und so.
Aber hier ist die erste Überraschung:
Das Zimmer ist völlig ok. Groß, mit allem was man braucht, nettes Bad, Küche und alles mitbenutzbar, die Gastgeber ganz zauberhaft, das Baby süß, die Gegend sicher (nebenan ist das Kinderkrankenhaus). Ja, das Zimmer ist recht dunkel und geht zum Hinterhof raus. Aber es kostet auch nur 65 Euro pro Nacht. Mit Wlan und Klimaanlage. Echt fair. Und wie gesagt sehr sehr herzliche Gastgeber. Mit der Express-U-Bahn sind es ungefähr 15 Minuten bis zum Columbus Circle am Central Park. Auch das ist völlig ok.
Also wenn einfach ok ist und du eine Übernachtungsmöglichkeit mit guten Preis-Leistungsverhältnis suchst, dann guck mal hier.
Lektion #1: Ein Zimmer in New York brauchst du eh nur zum Schlafen. Da kannst du gut sparen. Und: Auch nördlich vom Central Park kann man inzwischen gut wohnen.
Alte und neue Liebe
Ich glaube ich kann und will an dieser Stelle gar keine großen neuen New York Tipps geben. Alles, was ich kenne und liebe, kennen und lieben Millionen andere auch. Ich liebe die Fahrt mit der Staten Island Ferry vorbei an der Freiheitsstatue, ich mag das Museum of Natural History mit seinen Dinosauriersekeletten und der Ausstellung mit Amerikanischen Säugetieren.
Ich kann Chinatown irgendwie nicht besonders gut leiden und egal in welcher Stadt, ich hab noch nie gut gegessen dort. Man möge mir verzeihen.
Dafür liebe ich Murray’s Bagels in Chelsea, diese kleine Bäckerei mit ihren fantastischen Cream-Cheese-Varianten. Den High Line Park über den Straßen der Stadt, den zauberhaften Chelsea Market und den Time Square bei Nacht. Nix geheimes.
Lektion #2: Man KANN New York neu entdecken, muss man aber nicht. Wichtiger als der neueste Geheimtipp ist für mich bei dieser Reise der Mann an meiner Seite.
Zeit für uns und anderes romantisches Zeug
Wir ziehen durch die Straßen und Viertel – verlieren die Zeit, laufen jeden Tag fast 20 Kilometer, verlieben uns in Nolita, das West Village und die abgerockte Lower East Side. Und irgendwie auch in uns. Wir funktionieren gut als Team – nicht ein Streit. Und nicht ein Moment, in dem ich das Gefühl habe, wir hätten uns nichts zu sagen. Im Gegenteil.
Wir hocken wie Teenager auf einem Felsen im Central Park, frühstücken was aus dem Whole Foods Markt am Columbus Circle (im Time Warner Building) und beobachten die Übriggebliebenen aus der vergangenen Partynacht, die in der Sonne ihren Rausch auskurieren.
Im Time Warner Building gibt es übrigens mitten im Whole Foods Markt auch die ganz ausgezeichnete Bierbar „On Tap“. Für Kenner. Und Local-Brewery-Liebhaber. Ich glaube wir waren die einzigen Touristen dort.
Ein bisschen später sitzen wir im Strawberry Field, das John Lennons Witwe im Park angelegt hat, hören Gitarre spielenden Hippies zu, beobachten, wie Menschen völlig verdrehte Sefies am „Imagine“-Gedenkmosaik machen – nur um sich, die Rosen und das Bild auf dem Boden irgendwie zusammenzubringen. Wir sitzen Hand in Hand, gucken uns die Baumkronen an und summen die Musik mit. Ja ja, hört sich super kitschig an. Ich weiß schon. Aber so war’s eben.
Und so darf es auch gerne sein, wenn wir mal alt sind.
Lektion #3: Ich nehme mir Zeit, bleibe einfach mal sitzen und gucke den Menschen um mich herum zu. Höre mir den immer währenden, brummenden, tösenden Soundtrack dieser Stadt an. Und versuche mir klar zu machen, WAS FÜR EIN VERDAMMTES GLÜCK ICH HABE, HIER SEIN ZU KÖNNEN. Vielleicht beeinflusst mich meine neue Mediations-App tatsächlich noch mehr als ich dachte…;-)
Das beste Pastrami Sandwich der Stadt und doch noch ein fieser Streit
Artie’s Deli in der Upper West Side (83th & Broadway) ist mit Abstand das beste Diner, in dem ich je war. Pastrami Sandwich und Buttermilk Pancakes – köstlich. Im Fernsehen läuft die Trauerfeier für Muhammed Ali, irgendwie passt hier alles.
Am Abend dann einer der wenigen geplanten Programmpunkte: In der Metropolitan Opera wird ein Ballett aufgeführt – russisch opulent. Es gibt Balkonkarten für 35 Dollar das Stück und wir lassen uns auf eine abenteuerlich bunte Inszenierung („The Golden Cockerel“) ein, bei der wir halb über dem Geländer hängen, weil wir nur so auch die andere Hälfte der Bühne sehen können. Also zumindest einen Teil der Hälfte.
Und dann passiert es – wir haben den heftigsten Streit seit langem. Mitten auf dem Columbus Circle. Nach einem nahezu perfekten Tag.
Das volle Programm.
Worum es ging? Naja, im Grund nur um die Frage, wo wir zu Abend essen.
Manchmal glaube ich, es ist was dran an der Theorie, dass unser Unterbewusstsein immer dann Ärger, Ängste und Streitlust heraufbeschwört, wenn alles um uns herum besonders gut läuft. Wenn man denkt: Zu schön um wahr zu sein. Das sagt ja eigentlich schon alles.
Lektion #4: Es ist ok, wenn alles toll läuft. Ehrlich. Hau ab, Unterbewusstsein.
Lektion #5: Geh niemals im Streit schlafen.
Ich will diese Lektion immer mal gerne beiseite schieben, aber der zauberhafte Mann erinnert mich dann dran, wie wichtig sie ist. Und er hat recht. Wir versöhnen uns also wieder an diesem letzten Abend in der Stadt.
Fin
(weil ich das schon immer über das Ende eines Textes schreiben wollte)
Dass mir am nächsten Tag, bei der alljährlichen Parade der Puerto Ricaner, bei so viel Lebensfreude und fröhlichem Patriotismus dauernd die Tränen in den Augen stehen, schiebe ich auf meinen fortgeschrittenen Sentimentalismus. Und auf ein bisschen Abschiedsschmerz.
Ich mag diese Stadt einfach. Mit all ihrem Tammtamm und newyorkish sein und ihrer trotzdem irgendwie unaufgeregten Art.
Wir sind einfach nur gelaufen. Kreuz und quer. Ohne große Pläne. Die paar Tage haben uns gut getan. Sehr gut sogar.
Lektion #6: Ab jetzt einmal im Jahr ein paar Tage ohne Kinder wegfahren.
So schön! Ich will da auch wieder hin. Am liebsten mit meiner Frau. Vielleicht auch mal ohne Kinder. Manchmal brauch man halt auch ein bischen Kitsch. Danke für diesen tollen Bericht.
Danke! So geht es mir mit deinen Eindrücken aus den Iran. Ich hab schon seit Jahren einen Reiseführer hier liegen…
Hallo Trieneke,
ein toll geschriebener Beitrag! Da bekomme ich gleich Lust, meine Koffer zu packen! Ich liebe New York, war aber schon viel zu lange nicht dort… Es fällt mir noch schwer, ohne Kinder länger als zwei Tage zu verreisen. Aber vielleicht ist es jetzt mal an der Zeit ;o)
Liebe Grüße
Andrea
http://www.allesuntereinenhut.wordpress.com